Liebe Leserin,
lieber Leser …
das neurogene Zittern ist eine angeborene Fähigkeit Ihres Körpers, Anspannungen abzubauen und Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Das Wörtchen „neurogen“ bedeutet dabei, dass es sich um eine körperliche Reaktion handelt, die man nicht bewusst herbeiführen oder steuern kann. In bestimmten Situationen zittert der Körper einfach. Vielleicht haben Sie das auch schon erlebt: beim Sport oder im Yoga, bei Kälte, in einer aufregenden Situation, vor Freude, aus Angst und Furcht, nach einem Unfall, bei einer Geburt, im Fieber oder in der Wut und im Zorn. Vielleicht haben Sie das Zittern auch bei Ihren Kindern oder Ihren Haustieren schon bemerkt.
Neurogenes Zittern ist etwas Existenzielles, das alle Säugetiere gemeinsam haben. Es löst die Anspannungen, die der Körper bei starken inneren, emotionalen und äußeren Einflüssen aufbaut. Es bringt Sie in Ihre innere Ruhe und Gelassenheit zurück. Es verbessert Ihre Belastungsfähigkeit und Ihre sozialen Beziehungen.
Das Aktivieren der Selbstheilungskraft lässt auch Schmerzen und Ängste nach und nach einfach verschwinden. Alte Heiltraditionen nutzen die Kraft des unwillkürlichen Zitterns seit Jahrtausenden. In indigenen Traditionen und Tänzen hat das neurogene Zittern seinen festen Platz in der Menschheitsgeschichte.
Seit dem Anfang dieses Jahrtausends – genauer seit 2005, der ersten Veröffentlichung der TRE-Übungen von David Berceli – gibt es sieben einfache und leicht nachvollziehbare Körperübungen, mit denen das neurogene Zittern für die Befreiung und Entlastung von körperlichen und seelischen Beschwerden auch bei uns in der westlichen Kultur eingesetzt wird. TRE steht für „Tension and Trauma Release Exercises“, also für Anspannung und Trauma lösende Übungen. Die einzelnen Übungen sind Ihnen möglicherweise schon aus Kursen zur Körperwahrnehmung, zur Selbsterfahrung oder speziellen Sportarten bekannt. Neu ist an TRE die systematische Abfolge, die Sie in kurzer Zeit ins neurogene Zittern bringt.
Wann und wem hilft TRE?
Damit haben Sie das perfekte Werkzeug, um den schädlichen Auswirkungen von Stress entgegenzuwirken. Die TRE-Selbsthilfeübungen können eine wertvolle Unterstützung für Sie sein:
- Wenn Sie bemerken, dass Sie bei Zeit- und Leistungsdruck ungeduldig werden, dass Ihre Stimmung unkontrollierbar schwankt, dass Sie sich innerlich anspannen oder dass Sie auf andere Menschen in einer Art und Weise reagieren, in der Sie sich selbst nicht wiedererkennen.
- Falls Sie schon stimmungsverändernde Medikamente oder andere Substanzen einsetzen, um leistungsfähig zu bleiben oder um sich zu entspannen.
- Wenn Sie unter körperlichen oder seelischen Einschränkungen leiden oder sich mit Ihrem Körper oder mit Ihrer Seele irgendwie unwohl fühlen.
- Vielleicht haben Sie schon Vieles probiert und dabei kurzfristig Besserungen verspürt, die sich dann aber wieder verflüchtigt haben.
Möglicherweise waren Sie Situationen ausgesetzt, in denen Sie sich ohnmächtig und hilflos fühlten. Vielleicht haben Sie aber auch namenloses Grauen erlebt und können oder wollen nicht darüber sprechen. Vielleicht können Sie sich auch an gar keine Einzelheiten erinnern, über die Sie reden könnten. Oder Sie haben versucht, Ihr Unwohlsein zu vergessen oder zu betäuben mit Arbeit, mit Drogen, mit Gamen, mit Konsum, mit Medikamenten.
Oder Sie befinden oder befanden sich bereits in einer Trauma- oder Psychotherapie und können inzwischen mit Ihren Symptomen und Stressbelastungen besser umgehen, aber Ihre Lebensqualität hat nicht zugenommen. Auch dann sind die TRE-Selbsthilfeübungen eine gute Hilfe.
Das Buch richtet sich auch an all jene, die ohne aktuelle Probleme oder Stressfolgen zu haben, Ihre Selbstheilungsprozesse anregen möchten oder auch beim Singen oder Musizieren, in der Arbeit oder im Sport auf eine einfache Art und Weise leistungsfähiger werden möchten.
Unser Buch ist aber auch für Eltern und Angehörige pädagogischer Berufe gedacht, die das natürliche Zittern, das Kinder oft unwillkürlich zeigen, verstehen und die Kinder unterstützen wollen.
Dieser Ratgeber will Verständnis schaffen für Betroffene, die unter Stress- oder Traumafolgestörungen leiden, und richtet sich deshalb auch an die Angehörigen solcher Menschen, an ihre ArbeitgeberInnen, an die professionellen HelferInnen im Gesundheits-, Sozial- und Versicherungswesen. Das Buch soll ihnen helfen, die oft schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen ihrer Klientel besser zu verstehen, ohne sich mit ihrem Mitgefühl zu überfordern, aber auch ohne dieses Mitgefühl durch professionellen Zynismus abzuwehren.
So ist das Buch aufgebaut
Im ersten Kapitel beschreiben wir sehr ausführlich den Zusammenhang zwischen Stress sowie Stressfolgen und verschiedene Formen der Stressverarbeitungsstörungen und Stresserkrankungen. So lernen Sie Ihr eigenes Stresserleben besser kennen: die gefühlte Überforderung und die Anzeichen von Stress wie Herzklopfen, schneller Atmen, Schwitzen, Muskelspannungen, die sich auch auf der Zellebene und im Stoffwechsel widerspiegeln, sowie in Veränderungen in Ihrem Bindegewebe oder im Gehirn. Verstehen reduziert Ohnmacht und hilft, mit Verstimmungen und auch körperlichen Reaktionen und Erkrankungen besser zurechtzukommen.
In den folgenden Kapiteln erfahren Sie, was das neurogene Zittern ist und was es bewirkt. Und wir ergründen, warum reden allein oft nicht reicht, um sich von belastenden Erfahrungen zu lösen.
Im zweiten Buchteil geht es um die praktische Umsetzung. Sie erfahren, was wirklich wirkt. Und Sie lernen zusätzliche Übungen kennen, um die Wirkung der TRE besser spüren und verstärken zu können, bevor wir Ihnen dann im fünften Kapitel die sieben TRE-Übungen im Einzelnen vorstellen. Anhand der ausführlichen bebilderten Übungsbeschreibungen und dem Video zum Buch (Link im Service-Teil Seite 142) können Sie die Übungen ganz leicht nachvollziehen und bei sich zuhause oder an einem anderen ungestörten Plätzchen durchführen.
TRE ist einfache Selbsthilfe
Um zu veranschaulichen, wie selbstheilend neurogenes Zittern wirken kann, haben wir KursteilnehmerInnen nach ihren persönlichen Erfahrungen damit befragt. Sie finden im Buch dazu verschiedene Schilderungen von Menschen, die TRE eingesetzt haben, um sich besser zu fühlen und um mehr oder weniger lange Stressphasen oder plötzliche Lebensveränderungen erfolgreich zu meistern. Dabei wurden Namen und andere Eigenschaften so von uns abgeändert, dass sich die Berichte keiner bestimmten Person mehr zuordnen lassen.
Für uns, die beiden Autorinnen, ist TRE die Selbsthilfemethode, die alle Menschen kennen sollten. Dabei sind wir auf unterschiedliche Weise zu TRE gekommen: